Gestern Abend war ich bei Imke. Erst war es schön. Sie ist weich und kuschelig und hat einen süßen, devoten Singsang in der Stimme. Ganz weiblich. Ihr Püppchengesicht ist über und über mit Sommersprossen besprenkelt und sie hat strahlendblaue Augen. Mit dem flachsblonden Haar sieht sie aus wie ein kleines schwedisches Mädchen. Sie ist ja auch nur unwesentlich größer als mein Küchenschrank, und der geht mir bis zur Brust. Außerdem hat sie weiche, fluffige Brüste, die aber nicht hängen. Jetzt noch nicht zumindest. Ansonsten ist sie schlank. Schlank und zierlich. Sie joggt fast jeden Tag. Fluffig ist sie trotzdem, am ganzen Körper.
Wir haben wieder auf dem Sofa gesessen und schnell viel Wein getrunken, runtergestürzt. Es war ja unter der Woche, da ist nicht viel Zeit, sich einen anzutüdeln und noch einen schönen Abend mit dem Tüdel zu haben. Sie braucht das, um locker zu werden. Und ich trinke ja ohnehin gern. Sie guckt mich dann immer mit großen Augen an und fragt mich aus. Um das Schweigen zu überbrücken. Weil sie selbst nichts zu erzählen hat. Das heißt, sie wüsste schon etwas zu erzählen, aber sie traut sich nicht oder denkt, dass es allgemein keine gute Idee ist, auch nur irgendetwas von sich preiszugeben. Oder sie hat Angst, etwas Dummes zu sagen. Sie hält mich für hyperintelligent und glaubt, dass sie nichts Schlaues zu sagen hat.
Sie ist sich also selber peinlich und stellt Fragen. Weil sie aber so nervös ist, fallen ihr keine guten Fragen ein. Sie fragt mich dann über meinen Job aus zum Beispiel. Nicht über meine Kollegen, sondern inhaltlich. „Und wie funktioniert das dann genau mit der Sicherheitsleistung? Wenn der Haftungsverbund einspringen muss? Müssen alle zugleich zahlen oder nur einer und die anderen können es sich zurückholen?“ Und ich, leicht angetüdelt, erzähle es ihr, spul einfach noch mal ab, habe mich ja ohnehin den ganzen Tag damit beschäftigt. Und betüdelt vor mich hinlabern finde ich angenehm. Das Ding ist: sie langweilt es nicht. Nein: sie leidet. Weil sie weiß, wie langweilig ihre Frage war und was ich darüber denke. Sie leidet, weil sie weiß, dass ich irgendwann fertig sein werde mit dem Haftungsverbund und dem Rückgriff. Und dann muss sie wieder eine Frage stellen. Und sie sucht so verzweifelt nach der nächsten Frage, dass sich alles dreht. Öde Fragen wuseln rum, vermengen sich mit noch öderen Fragen. Geistlose, ordinäre, saftlose Fragen. Fragen über Fragen. Kein Ausweg. Die Fragen stauen sich in irgendeiner Windung zu einem nervösen Wust, dass ihr schwindlig wird. Sackgasse. Verzweiflung. Ich habe fertig erzählt. Sie starrt mich aus ihren großen schwedischen Mädchenaugen an. Die Lippen zusammengekniffen und dann heraus damit: „Und gibt es noch andere Modelle, andere Formen von Haftungsverbänden, wo das Ausfallrisiko geringer ist?“
Ich werde müder und müder. Ich will sie lieb haben und alles, und ich wünsche mir für sie und mich, dass sie bessere Fragen stellt. Auch weil sie es eigentlich kann. Aber sie schafft es nicht. Das trostlose Fragenkarussell dreht sich weiter, verzweifelt und kraftlos. Sie merkt, sie weiß genau, dass ich mich mehr und mehr entferne, während ich vom Haftungsverbund erzähle. Jede Frage, die dann noch kommt: mindestens zwanzig Prozent Anziehung weniger. Also: Blasen! Bumsen! Der einzige Ausweg! Und es funktioniert auch ein wenig, weil sie so entzückend und fluffig ist und so gut riecht. Ich hab sie wieder lieb, so ganz ohne reden, nur riechen und ihren fluffigen Körper spüren. Aber natürlich fühlt sie sich nicht gut danach, und dann macht sie immer den gleichen, doofen Fehler: Sie will Absolution. Für ihre doofen Fragen. Das sagt sie nicht so, aber so ist es. Sie will von mir hören, dass ich sie lieb habe, am besten, dass ich ganz verrückt nach ihr bin. Trotz der doofen Fragen, nur wegen der Fluffigkeit. Ich muss aber an die Fragen denken und kann nicht verrückt nach ihr sein. Dafür ist es schon zu spät. Sie will aber trotzdem so sehr, dass sie ganz verzweifelt ist. Bitte, bitte hab mich lieb, trotz der doofen Fragen, einfach nur, weil du weißt, weil du spürst, dass ich auch andere Fragen stellen kann, weil du weißt, dass es nur an meinen Hemmungen liegt, du weißt, ich kann geistreich sein!